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Bodenschonender als seine 6x6-Kollegen ist der Bell B45 4x4 auf dem Casea-Gispssteinbruch im Südharz unterwegs

Einsatz auf heiklem Terrain

Bell und Kiesel präsentieren den neuen Bell B45E 4×4-Dumper im Praxiseinsatz

Was macht ein Hersteller, wenn ihm just zur anstehenden Markteinführung eines neuen Produkts das wichtigste Forum verloren geht, um dieses Produkt einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen? Ein Patentrezept gibt es dafür sicherlich nicht. Ein probates Mittel kann neben zahlreichen anderen denkbaren Ansätzen die Konzeption und Organisation einer Roadshow sein. Das zumindest ist der Weg, den jüngst der Baumaschinengroßhändler Kiesel gemeinsam mit der exklusiv vertriebenen Marke Bell beschritt. Hintergrund war die fällige Markteinführung des grundlegend überarbeiteten Bell B45E 4×4-Dumpers, der eigentlich eines der Highlights der abgesagten diesjährigen Steinexpo auf dem Basaltsteinbruch der Mitteldeutschen Hartstein-Industrie in Nieder-Ofleiden werden sollte.

Bell erkundet neue Vertriebswege

Die neu konstruierte SKW-typische Gesteinsmulde des B45E-4×4 mit flachem Boden

Ergo veranstalteten beide Partner auf einem Steinbruch in der Nähe des europäischen Bell-Standorts in Eisenach für die Pressevertreter der Branche eine eindrückliche Vorführung, der Tags zuvor noch eine Werksbesichtigung vorausging. Dieses Format soll anschließend im Laufe der nächsten vier Monate in Deutschland und Österreich als Roadshow „R-Evolution“ weitere sechs Mal – jeweils Corona-konform – in Zusammenarbeit mit einschlägigen Gewinnungsbetrieben wiederholt werden, um so den neuen Allrad-Zweiachser B45E einem breiteren Kreis von Interessenten und Kunden näherzubringen.

Bühne für ein grundlegend überarbeitetes Modell

In die neue Konzeption des knickgelenkten B45E 4×4-Dumpers haben die Südafrikaner nämlich eine ganze Menge Gehirnschmalz investiert. Mit neuem Fahrwerk und spezifisch angepasster Gesteinsmulde soll der 41-Tonner künftig besser den Anforderungen kleinerer und mittlerer Betriebe entsprechen und sich insbesondere im nur dünn besetzten Marktsegment der 40- bis 50-Tonnen-SKW behaupten. Hier gilt es vor allem, bei den Gewinnungs-Kunden als echte Alternative sowohl zum konventionellen Starrahmen-Kipper als auch zu den großen knickgelenkten 6×6-Dumper-Modellen mit Erdbaumulde zu überzeugen. Genau das ist auch die Mission des derzeit im Casea-Gipssteinbruch in Ellrich im Testeinsatz stehenden B45E 4×4-Dumper. Beste Gelegenheit also, einmal im Südharz vorbeizuschauen.

Abbauprodukt mit langer Tradition

Mit einem maximalen Wendekreis von 17,31 Metern zeigt sich der 4×4-Dumper aus Eisenach ausgesprochen wendig

Der Steinbruch in Ellrich hat eine lange und DDR-bedingt auch durchaus wechselvolle Geschichte. Bereits vor über 150 Jahren gründete hier 1869 Friedrich Euling die damaligen Vereinigte Gipswerke Ellrich am Harz. Inzwischen Eigentum der Remondis-Gruppe, wurde der Tagebau ebenso wie einige andere Standorte 2013 in die Remondis-Tochterfirma Casea ausgegliedert, in der alle Gipsaktivitäten des Mutter­konzerns zusammengefasst wurden. Die Abbau­produkte unterdessen sind bis heute die gleichen geblieben: Gips und Anhydrit. Die Jahresproduktion des Standorts im Südharz liegt bei rund 160.000 Tonnen. Insgesamt steht das Unternehmen derzeit für rund ein Zehntel der Deutschen Gipsproduktion.

Diese erfolgt am hiesigen Standort durch Abbau des Rohmaterials. Nach Abtragung der Deckschichten und des Abraums geschieht der Abbau in Ellrich unterstützt durch Lockerungssprengungen insbesondere durch einen leistungsfähigen Hitachi-Zaxis-530-LCH-6-Kettenbagger, einen 50-Tonner mit einem 3,0 Kubikmeter fassenden Tieflöffel. Verladen wird das Haufwerk zum Teil auch durch Radlader. Den Transport zum Vorbrecher übernehmen auf dem Gelände des Steinbruchs mehrere dreiachsige Muldenkipper.

Schwieriges Terrain für einen Leistungsträger

Bedingt durch das Ladegut und verschärft durch das zur Reduktion der Staubentwicklung teilweise durchgeführte Vorwaschen des Rohgesteins ist der Untergrund der rund eineinhalb Kilometer langen Umlaufstrecke auf dem Gelände einen Großteil des Jahres – vor allem aber bei feuchter Witterung – stark schlüpfrig. Der Einsatz von konventionellen Skws mit Starrrahmen ist insofern keine Option. Hier haben nur knickgelenkte Kipper mit Allrad-Antrieb eine Chance, zumal neben den schwierigen Witterungsbedingungen im Ganzjahres-Abbau auch steiles und unwegsames sowie einem stetigen Wandel unterworfenes Terrain befahren werden muss. Das allein verschafft dem B45E 4×4-Dumper gegenüber seinen Mitbewerbern an dieser Stelle jedoch noch nicht den entscheidenden Vorteil.

Zuschnitt für den Hartstein-Einsatz

Dank der maximalen Kipphöhe von 6.485 Millimetern sind Brecher-Einhausungen für den B45E 4×4-Dumper meist kein Problem

Um sich vom Feld seiner Verfolger abzusetzen, bedurfte es zusätzlich der konsequenten Ausrichtung des neuen Modells auf den Hartstein-Einsatz. Diese ergibt sich insbesondere aus der komplett neu konstruierten, SKW-typischen Gesteinsmulde mit flachem Boden: Sie wurde verlängert und mit einer geraden Stirnwand versehen. Das soll, davon gibt sich die Marke überzeugt, dank längerer Muldenoberkante zu einem besserem Füllverhalten führen und nunmehr auch die schnelle Beladung mit 3,5- bis 6-Kubikmeter-Felsschaufeln ermöglichen. Sowohl die maximale Kipphöhe von 6.485 Millimetern als auch die große Bodenfreiheit der Schurre (890 Millimeter), so Bell, seien dabei nahezu unverändert geblieben. Ziel der Übung war es unter anderem auch, dem Zweiachser eine bessere Eingliederung in bestehende Infrastrukturen zu ermöglichen. Anders als vergleichbare 6×6-Knicklenker mit langer Erdbau-Mulde käme der B45E 4×4-Dumper beispielsweise wesentlich leichter mit bestehenden Brecher-Einhausungen zurecht.

Mehr Vorteile durch eine Achse weniger

Der 4×4-Zweiachser mit 41 Tonnen Nutzlast zielt speziell auf kleine und mittlere Gewinnungsbetriebe

Als Zweiachser ist er zudem, was auf dem beengten Casea-Gelände klar zu beobachten war, beim Laden bzw. Entladen ungleich wendiger. Zudem überzeugt er auf den Fahrstrecken des Steinbruchs gegenüber seinen 6×6-Kollegen auch mit einer deutlich geringeren Beanspruchung von Untergrund und Reifen. Bei diesen graben sich die nicht in einer Spur laufenden Tandemachsen nämlich insbesondere in engen Kehren tief in das Gelände. Das verursacht, so Uwe Herber, Kiesel-Branchenleiter Gewinnung, einen hohen Instandhaltungsaufwand. Auf hartem und abrasivem Untergrund gehe dies darüber hinaus bei den Dreiachsern massiv zu Lasten der Bereifung. Gegenüber einer 4×4-Zwillingsbereifung könne sich das durchaus in einer um mehrere hundert Betriebsstunden reduzierten Lebensdauer niederschlagen – unterm Strich ein immenser Kostenfaktor.

Viele Komponenten aus der Großserie

Während die Überarbeitung von Hinterwagen und Mulde des 4×4-45er sich als zwangsläufiges Ergebnis einer über zehn Jahre lang konsequent verfolgten Entwicklung in einer Nische erweist, sind auf der anderen Seite Antrieb, Kraftübertragung und die intelligente Fahrzeugsteuerung auf dem Stand der ständig weiterentwickelten 6×6-Knicklenker-Großserie der Marke. So verfügen der Bell B45E 4×4-Dumper und sein 6×6-Schwestermodell B45E über nahezu identische Vorderwagen. Unter der Haube arbeitet in beiden Fällen der Mercedes-Benz-OM471LA-Reihensechszylinder mit 390 Kilowatt/530 PS Leistungsausbeute. Dank Abgasreinigung, kontrollierter Abgasrückführung und SCR-Technologie sowie Dieselpartikelfilter erreicht er die Abgasnorm der EU-Stufe V.

Ein 50-Tonner als Alter Ego

Die Mulden des Bell B45E 4x4-Dumper werden von einem Bagger gefüllt.
Die Verlade-Situation in Ellrich: Die Mulden des Bell B45E 4×4 und der anderen Dumper werden von einem Hitachi ZX 530 LCE-6 gefüllt

Nicht ganz uninteressant zu beobachten war auf dem Steinbruch in Ellrich darüber hinaus auch das mühelose Zusammenspiel zwischen dem B45E und seinem Umschlags- und Gewinnungspartner ZX 530 LCH-6 von Hitachi, der auf dem Casea-Steinbruch seit Mitte letzten Jahres seinen Dienst versieht. Wesentliche Komponenten der speziell für den Einsatz im Bergbau konzipierten Maschine sind der Oberwagen des ZX 490 und der verlängerte Unterwagen des ZX 690 LC (Long Crawler), der zudem mit Ketten mit zweifach gerippten Bodenplatten bestückt wurde.

Ausgestattet mit einem Drei-Kubikmeter-Tieflöffel ist er in der Lage, den 41-Tonner im Verlaufe von nur sechs Ladespielen zu beladen. Eine Herabsetzung der Arbeitsdrehzahl seines 270 Kilowatt/ 367 PS starken Sechszylinders auf 1.800 Umdrehungen in der Minute erlaubt außerdem einen höchst effizienten Betrieb des Schwergewichts. Ein umfassender Zylinderschutz trägt zudem den rauen Arbeitsbedingungen auf Steinbrüchen wie diesem Rechnung.

Engagement mit besten Aussichten

Der Bell B45E 4x4-Dumper wird beladen.
Die neue Gesteinsmulde mit gerader Stirnwand bietet vor allem Vorteile in der Beschickung durch Großradlader und erleichtert das Beladen mit der 5-m³-Schaufel

Das Bell-Engagement in Ellrich dürfte sich bereits in näherer Zukunft auszahlen. Denn dass die Casea auch künftig im größeren Stil in ihre Gewinnungstechnik investieren wird, liegt mehr oder weniger auf der Hand. Der Gipsverbrauch in Deutschland liegt derzeit bei rund 10 Millionen Tonnen pro Jahr, mit steigender Tendenz. Zugleich ist das Versiegen der wichtigsten Rohstoffquelle der Gipsproduktion absehbar: Zu rund 60 Prozent wird der Verbrauch nämlich von den Rauchgasentschwefelungsanlagen der Kohlekraftwerke gedeckt. Hier reagiert das in den Abgasen enthaltene Schwefeldioxid mit dem beigemengtem Kalkstein zu Gips.

Gips und gipsähnliche Stoffe werden in zahlreichen Branchen eingesetzt. Den volumenmäßig größten Teil der Gipsindustrie machen Gipsplatten aus. Gefragt ist das Material auch in vielen Bereichen der Bauchemie wie etwa bei der Estrich-Produktion, bei der Calciumsulfat mit Sand gemischt wird. Gips kommt auch bei der Fertigung von Sanitärkeramik als Gussform zum Einsatz, ebenso wie bei der Herstellung von Geschirr. Eine ähnliche Aufgabe hat das Material in der Dentalindustrie, etwa bei der Herstellung von Zahnmodellen für die Anpassung von Kronen und Brücken.

Auch bei der Produktion von Düngemitteln sowie selbst in der Lebensmittelchemie kommt das Material unter der Bezeichnung E 516 in Brotbackmischungen zum Einsatz.  

 

Sichtbar noch nicht lange in Ullrich im Einsatz ist der speziell für die Gewinnung optimierte 50-Tonnen-Kettenbagger Hitachi ZX 530 LCE-6

Die nächsten Termine der Bell „R-Evolution“ Roadshow sind:

13. und 14.08. in Salzburg

03. und 04.09. in der Steiermark/Kärnten