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Schicht um Schicht trägt der 3D-Drucker die Betonlagen übereinander auf

Schicht um Schicht

In der Nähe seines Firmensitzes in Süddeutschland druckt Schalungsspezialist PERI ein ganzes Mietshaus aus

Drahtbrücken halten die noch weichen Schalen auf Abstand

Der PROTRADER hat schon mehrfach darüber berichtet, doch bislang schien das Thema auf Universitätslabore und eher provisorische Aufbauten von Technik-Freaks sowie auf die Produktion von Kleinstgebäuden beschränkt zu sein: die Erstellung ganzer Häuser per 3D-Betondruck. Doch nun sieht es so aus, als habe das Verfahren die Grenze zur Praktikabilität erreicht. Gleich zwei ausgewachsene Bauten, ein Einfamilienhaus und ein Mietshaus mit fünf Wohnungen, sind Ende des vergangenen Jahres auf diese Weise in Deutschland „ausgedruckt“ worden.

Treibende Kraft hinter beiden Projekten ist das Unter­nehmen PERI. Als Spezialist für Schalungssysteme ist Peri auf zahllosen Baustellen rund um den Globus vertreten und im Hinblick auf die Betonverarbeitung mit immenser Expertise ausgestattet. Seit einigen Jahren allerdings arbeitet man bei Peri intensiv auch an der Entwicklung neuer Einsatzmöglichkeiten von Beton – z.B. seiner Extrusion mittels Druckkopf. 2018 stieg das Unter­nehmen zu diesem Zweck in das dänische Start-up COBOD ein. Gemeinsam stellten beide Unternehmen den „BOD2“ auf die Beine, einen 3D-Drucker der mittlerweile zweiten Generation, der Beton in zahllosen Lagen übereinander schichtet und dabei ohne Schalung auskommt.

Dies aber wäre ohne einen entscheidenden weiteren Partner nur die halbe Miete geblieben. Denn mit herköm­mlichem Beton wäre man hier nicht weit gekommen. Mit im Boot war daher noch ein weiterer Big Player: die Firma HeidelbergCement. Das Unternehmen entwickelte eine Betonrezeptur, die sowohl die erforderliche Fließfähigkeit für eine Applikation mittels Druckkopf als auch nach vergleichsweise kurzer Zeit eine ausreichende Festigkeit ausbildet, um auch unter der Last neu aufgebrachter Betonlagen formstabil zu bleiben. All diese Forderungen bringt der von HeidelbergCement entwickelte Spezialbeton  „i.tech 3D“ unter einen Hut.

Ohne Partner geht es nicht

Trockenmörtel i.tech 3D-Silo, wichtige Voraussetzung für den 3D-Betondruck
Der Stoff, aus dem die Träume der Befürworter des 3D-Betondrucks sind: der Trockenmörtel „i.tech 3D“

Hinzu kamen bei beiden Vorhaben zusätzliche lokale Partner. Im nordrhein-westfälischen Beckum, wo ab Ende September ein zweigeschossiges Einfamilienhaus mit ca. 80 Quadratmetern Wohnfläche pro Geschoss ausgedruckt wurde, war es das Unternehmen MENSE-KORTE ingenieure+architekten, dessen Tochter Hous3Druck als Bauherr fungierte. In Weißenhorn-Wallenhausen, südlich von Günzburg bei Ulm, wo Peri in unmittelbarer Nähe zum Firmensitz nur unwesentlich später mit der Vorbereitung eines deutlich umfangreicheren „Ausdrucks“ begann, war es die Michael Rupp Bauunternehmung, die auf eine Ausschreibung hin als Partner und Bauherr gewonnen werden konnte.

Hier war es das in Ulm ansässige Architekturbüro Mühlich, Fink & Partner BDA, welches für das von Rupp zur Verfügung gestellte Grundstück ein klassisches Mietshaus entwarf, das sich mit Satteldach, Gauben und Fensterläden weitestgehend ins Ortsbild einfügt. Denn hier sollte erstmals kein Musterhaus, sondern ein ganz normales Mehrfamilienhaus geschaffen werden, dessen Wohnungen nach Fertigstellung zur Vermietung anstehen. Fabian und Sebastian Rupp, die beiden Geschäftsführer des Traditionsunternehmens, sehen im 3D-Druck nämlich nicht nur ein vielversprechendes Verfahren, sondern auch einen aussichtsreichen Beitrag zur Bekämpfung des Wohnungsmangels.

Konstruktive Details

Ansicht des per 3D-Betondrucks errichteten Mehrfamilienhauses
Rendering des mittlerweile in Weißenhorn-Wallenhausen per 3D-Druck errichteten Mehrfamilienhauses

So entstand an der Habsburgerstraße in Wallenhausen während der letzten Wochen des vergangenen Jahres ein dreigeschossiger Bau mit einer Wohnfläche von rund 380 Quadratmetern und vier gut 71 Quadratmeter großen Zweizimmerwohnungen in den beiden unteren Etagen sowie einer Vierzimmerwohnung im Dach­geschoss. Damit ist das Gebäude bis auf Weiteres das größte in Europa per 3D-Druck erstellte Gebäude überhaupt.

Der eigentliche Druckprozess in Wallenhausen begann Anfang November oberhalb eines zuvor konventionell in Ortbeton erstellten Kellergeschosses. Die Konstruktion des Hauses besteht aus dreischaligen Außenwänden, deren äußere Hohlwand mit einer mineralischen Einblasdämmung gefüllt wurde. Die dahinter liegende Hohlwand ebenso wie die nur zweischaligen Innenwände wurden mit Ortbeton ausbetoniert. Durch die Dämmung wird das Gebäude dem KfW-55-Standard gerecht. Es soll in Kürze ans örtliche Fernwärmenetz angeschlossen werden.

Im Erdgeschoss und im ersten Stock entstehen je zwei Zweizimmerwohnungen, im Dachgeschoss eine Vierzimmerwohnung

Für die Erstellung der Zwischendecken fanden vorgefertigte Filigran-Stahlbetondecken Verwendung, die im Verbund mit den tragenden Wänden nach Druck der Randabschalung ausbetoniert wurden. Während des Druckvorganges berücksichtigte der Drucker bereits die später zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse für Wasser und Strom. Das Einlegen von Leerrohren und Anschlüssen konnte auf diese Weise einfach in den Druckprozess integriert werden.

Analog dazu könnte, weil während des Druckvorgangs im Druckraum gearbeitet werden kann, zukünftig auch die Integration weiterer Gewerke in den Druckprozess erfolgen. Dies würde sowohl Bauzeit als auch Koordi­nationsaufwand reduzieren.

Tinte für den Füller

Die innenliegenden Wandschichten werden zusammen mit den von
der Abstützung getragenen Filigran-Stahlbetondecken zu einer Einheit vergossen

Grundlage für den Bau sind rund 170 Tonnen eigens für den 3D-Druck entwickelten, werksfertigen Trockenmörtels namens i.tech 3D, der von HeidelbergCement auf die Baustelle geliefert wurde. Um eine hinreichende Extrusionsfähigkeit zu erreichen, ist sein Zementanteil verglichen mit herkömmlichem Beton zwar in etwa doppelt so hoch, allerdings ergibt sich durch einen künftig weiter optimierbaren Wandaufbau insgesamt eine Materialeinsparung von bis zu 80 Prozent. Außerdem fasst HeidelbergCement künftig auch einen Austausch des Zements durch andere Stoffe ins Auge.

Die Mischung i.tech 3D mit einer Körnung von bis zu acht Millimetern kam knapp acht Wochen zuvor bereits auch beim Druck des ersten Wohnhauses im westfälischen Beckum zu Einsatz. Dem Hersteller zufolge bildet es schnell eine ausreichende Tragfähig­keit aus, die dafür sorgt, dass die unteren Schichten nicht unter der Last der oberen Schichten versagen und dennoch einen guten Verbund zwischen den Schichten gewährleisten. Die Zulassungsprüfungen erfolgten, unterstützt vom Ingenieurbüro Schießl, Gehlen und Sodeikat, durch das Zentrum Baustoffe München der Technischen Universität München. Die Mischtechnologie für i.tech 3D steuerte übrigens die Firma m-tec mathis technik bei.

Drucken jenseits von Epson & Co

Mit den tragenden Wänden vergossene Filigran-Stahlbetondecken

Ausführendes Organ war in Wallenhausen ebenso wie zuvor in Beckum ein Cobod-BOD2-Drucker. Dies ist ein nach dem Vorbild eines Portalkrans ausgebildetes Drucksystem, das aus mehreren 2,5-Meter-Modulen besteht und flexibel in alle drei Dimensionen konfigurierbar ist. Der Vorteil eines solchen Aufbaus liegt darin, dass der Druckkopf sich in seinem Rahmen auf jede Position innerhalb der Konstruktion bewegen kann. Ein Versetzen ebenso wie ein daraus resultierendes erneutes Kalibrieren wird daher nicht nötig.

Der modulare Aufbau des Druckers sorgt außerdem dafür, dass seine Abmessungen individuell auf konkrete Anwendungen und Projekte konfiguriert werden können. Die Aufbauzeit für die in Süddeutschland eingesetzte Maschine mit einem Druckbereich von 12 Metern Breite, 17 Metern Länge und acht Metern Höhe lag bei gerade einmal acht Stunden.

Die maximale Druckgeschwindigkeit des BOD2 liegt bei einem Meter in der Sekunde, was ihn zum derzeit schnellsten Beton-3D-Drucker weltweit macht. Um weiterhin manuelle Arbeiten in den Druckprozess integrieren zu können und die Sicherheit des Prozesses nicht zu gefährden, lief er in Wallenhausen allerdings nur mit einer Geschwindigkeit von 25 Zentimetern in der Sekunde. Für den Druck von einem Quadratmeter Hohlwand benötigte er so in etwa fünf Minuten.

Nach außen ist der Wandaufbau dreischalig, innen sind die Wände zweischalig ausgeführt. Die äußeren Hohlräume werden mit mineralischer Einblasdämmung gefüllt

Druckbar sind mit dem Cobod-System Lagenhöhen zwischen einem und drei Zentimetern, die Lagenbreiten variieren zwischen drei und zehn Zentimetern. Insgesamt waren für das Projekt sechs Wochen Druckzeit veranschlagt. Angesteuert wird das System mit herkömmlicher CAD-Software. Zur Bedienung sind zwei Personen nötig.

Maßgeschneiderte Lösungen des 3D-Druck-Pioniers

Kurz vor Beginn des Ausdrucks der beiden Häuser gab Peri jüngst auch den Verkauf eines ersten BOD2 bekannt. Das System ging an die Laupheimer Firma Röser, die den 3D-Betondrucker an ihrem Standort zur Herstellung von Betonfertigteilen sowie von Sonder­formen für den Straßen- und Tiefbau einsetzen wird.

Abgesehen vom Verkauf bietet Peri interessierten Unternehmen überdies noch die Vermietung seiner Drucker sowie einen Druckservice an. Sie können so von Peris-3D-Betondruckexpertise profitieren und ihr finanzielles Risiko durch einen zeitlich begrenzten Mietpreis sowie gegebenenfalls durch ausschließliche Entrichtung eines Arbeitshonorars deutlich reduzieren. In unterschiedlichen Konstellationen offeriert Peri dennoch ein On-the-Job-Training von Mitarbeitern, weitreichende Unterstützung bei der Durchführung eigener Projekte sowie ein umfangreiches Serviceportfolio. Dieses erstreckt sich über die Ausführungsplanung, projektspezifisches Planen des Druckmaterials, Auf- und Abbau sowie Kalibrierung des Druckers und die Anleitung zur optimalen Nutzung des Systems.

Rendering des per 3D-Betondrucks errichteten Einfamilienhauses
Rendering des im nordrhein-westfälischen Beckum ausgedruckten zweigeschossigen Einfamilienhauses