Präzision auf langen Wegen: RBTS im Repowering-Projekt von Enercon
Im niedersächsischen Lorup werden derzeit 16 ältere Windenergieanlagen im Rahmen eines Repowering-Projekts durch zehn neue E-175 EP5 Anlagen von Enercon ersetzt. Dabei kommt modernste Transporttechnik zum Einsatz: das Rotor-Blatt-Transport-System (RBTS) des Fahrzeugherstellers Scheuerle. Insgesamt müssen 30 Rotorblätter mit einer Länge von jeweils knapp 86 Metern zum neuen Standort befördert werden. Damit zählen sie zu den längsten Onshore-Rotorblättern weltweit.
Logistische Meisterleistung auf 160 Kilometern Strecke
Für die Transporte entschied sich Enercon im Vorfeld für drei RBTS-Einheiten – ein System, das auf hohe Präzision, Flexibilität und Sicherheit im Umgang mit extrem langen und empfindlichen Bauteilen ausgelegt ist.
Die ersten Transporte verliefen erfolgreich: Aufgeladen im JadeWeserPort Wilhelmshaven, legten die jeweils 99,5 Meter langen Transportkombinationen die rund 160 Kilometer lange Strecke zum Windpark in zwei aufeinanderfolgenden Nächten zurück. Auch wenn die Distanz überschaubar ist, stellte der Einsatz hohe Anforderungen an Planung, Fahrzeugtechnik und Fahrpersonal.
Entscheidung für das RBTS: Technik trifft auf Betreuung
Enercon Logistic investierte gezielt in das Scheuerle RBTS – eine Entscheidung, die sowohl technische als auch organisatorische Gründe hatte. Neben den modularen Eigenschaften des Systems überzeugten auch spezifische technische Lösungen wie die Querverschiebung des Rotorblattes auf dem Dolly, die doppelte Hubzylinder-Ausführung sowie ein gyrostatischer Transporttisch, der Vibrationen reduziert und damit empfindliche Komponenten schützt.
Tino Hülsmeyer, Fuhrparkleiter Lkw bei Enercon Logistic, äußert sich dazu deutlich:
„Mit dem RBTS haben wir eine zuverlässige und durchdachte Lösung, die unseren Fahrern Flexibilität gibt und gleichzeitig die empfindlichen Rotorblätter schützt. Die Kombination aus Technik und Betreuung hat uns voll überzeugt.“
Die Begleitung durch das Team von TII Scheuerle – von der ersten Beratung über die technische Einweisung bis hin zur Einsatzbegleitung – spielte ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Investitionsentscheidung.
Technische Herausforderungen: RBTS im Realbetrieb
Gleich beim ersten Einsatz zeigte sich der technische Anspruch der Strecke. Bereits die Ausfahrt von der Autobahn verlangte Höchstleistungen: Der Nachläufer musste weit ausschwenken, um über Leitplanken und andere Begrenzungselemente hinwegzukommen – ein Manöver, das ohne exakte Lenk- und Hebetechnik nicht möglich wäre.
Das RBTS-System, bestehend aus einer Zugmaschine mit 3- oder 4-Achs-Sattelauflieger, einem Rotorblattadapter und einem aktiv lenkbaren Nachläufer, bietet hierfür die nötige Flexibilität. Dank hoher Aushebehöhe und fein justierbarer Lenkung lassen sich auch enge Ortsdurchfahrten und komplexe Rangiersituationen sicher bewältigen.
Markus Pflederer, Vertriebsleiter bei TII Scheuerle, betont: „Die enorme Aushebehöhe des RBTS war für diesen Einsatz entscheidend. Solche Situationen sind für unser System kein Problem.“
Ortsdurchfahrt Friesoythe: Maßarbeit auf engem Raum
Auch in Friesoythe, einem Ort auf der Strecke, stellte sich das RBTS als unverzichtbares Werkzeug unter schwierigen Bedingungen heraus. Ein Kreisverkehr musste für den Transport temporär zurückgebaut und mit Stahlplatten verstärkt werden. Während die Zugmaschine mit dem vorderen Adapter bereits unter einer Bahnunterführung hindurchfuhr, rangierte der Nachläufer noch im provisorisch angepassten Kreisverkehr – eine logistische und fahrtechnische Herausforderung, die ein exaktes Zusammenspiel von Fahrzeugtechnik, Personal und Planung erforderte.
Rückwärtsfahrt im Windpark: funkgesteuert und millimetergenau
Die letzte Etappe im Windpark selbst forderte die Transportmannschaft erneut: Eine 800 Meter lange Rückwärtsfahrt auf einem schmalen Wirtschaftsweg musste bewältigt werden – mit einem 86 Meter langen Rotorblatt im Rücken, das aus der Kabine kaum sichtbar ist. Die Lösung lag im präzisen Zusammenspiel zwischen Fahrer und einem externen Nachlenker, der die Nachläufereinheit per Funk kontrolliert und kontinuierlich koordiniert.
Hintergrund: Die TII Group als Systemlieferant
Die TII Group mit Hauptsitz in Heilbronn ist ein weltweit agierender Hersteller von Schwerlast- und Spezialfahrzeugen. Mit rund 1.000 Mitarbeitern entwickelt und fertigt das Unternehmen unter den Marken TII Scheuerle und TII Kamag modulare Transportsysteme für industrielle Großkomponenten, Infrastrukturprojekte und Spezialtransporte.
Die Unternehmensgruppe bedient Kunden aus Branchen wie Energie, Schiffbau, Luft- und Raumfahrt, Bergbau oder Anlagenbau und hält mit über 23.000 Tonnen transportierter Last den Weltrekord im fahrzeuggebundenen Schwertransport.
Mit dem RBTS hat TII Scheuerle eine zukunftsorientierte Lösung für eine der aktuell komplexesten logistischen Herausforderungen im Bereich der Windkraftlogistik entwickelt – und diese erfolgreich in der Praxis unter Beweis gestellt.