Fernsteuerung Cat Command erstmals im Gebäuderückbau in Deutschland eingesetzt

Ende März dieses Jahres stand ein entscheidender Schritt beim Rückbau des ehemaligen Steinkohlekraftwerks Moorburg in Hamburg an. Die beiden Kesselhäuser, jedes mit einer Masse von etwa 24.000 Tonnen, sollten per Fallrichtungssprengung zu Boden gebracht werden. Wochenlange Vorbereitungen gingen diesem Einsatz voraus: Im bewährten Verfahren der Wasservollraumsprengung wurden die Stützen der Gebäude zunächst mit Wasser gefüllt und mit Sprengladungen versehen. Ziel war es, die massiven Strukturen nach Westen kippen zu lassen.
Während das erste Kesselhaus wie geplant fiel, blieb das zweite trotz Zündung der Ladungen stehen. Diese Fehlsprengung führte zu einer veränderten Statik, wodurch sich die Lasten auf Bauteile verteilten, die zuvor kaum belastet waren. Ein sofortiges Eingreifen war erforderlich. Gemeinsam mit Behörden und Auftraggeber entwickelte die Hagedorn Unternehmensgruppe ein Ersatzkonzept, das in Rekordzeit umgesetzt wurde – unterstützt von Zeppelin.
Sicherheit für das Personal
Zentrales Element dieses neuen Vorgehens war der erstmalige Einsatz der Fernsteuerung Cat Command in Deutschland. Damit sollte verhindert werden, dass Personal im instabilen Bauwerksbereich arbeiten musste. „Das bedeutet, dass sich die Kräfte auf ganz unterschiedliche Bauteile verteilten, die vorher kaum Lasten tragen mussten“, erklärt Jens Hofmann, Leiter der Sparte Abbruch bei Hagedorn. Um jegliches Risiko auszuschließen, wurde ein Sicherheitsradius von 200 Metern eingerichtet, in dem sich kein Mitarbeiter aufhalten durfte.
Von außerhalb dieser Zone steuerten die Fachkräfte einen Cat Kettenbagger 395 über eine mobile Konsole. Die Maschine war mit einem Flachmeißel ausgestattet, um Schrauben und Verbindungen an den Stahlstützen präzise zu durchtrennen. „Hier war absolute Präzision gefragt, den Meißel mit der Fernsteuerung zu platzieren, denn die Schrauben hatten einen Durchmesser von gerade einmal fünf Zentimetern“, betont Hofmann. Durch gezielte Vorschwächungen im unteren Drittel der Stützen konnte das Gebäude für eine zweite Sprengung vorbereitet werden.
Hintergrund: Das System Cat Command
Cat Command ist ein von Caterpillar entwickeltes Fernsteuersystem, das den Betrieb von Baumaschinen aus sicherer Distanz ermöglicht. Es besteht aus einer tragbaren Konsole, die alle wesentlichen Steuerfunktionen der Maschine abbildet und über ein Funksignal in Echtzeit mit der Bordelektronik kommuniziert. Damit lassen sich Bewegungen, Werkzeugsteuerung und Fahrfunktionen verzögerungsfrei ausführen.
Das System ist vollständig in die Hydraulik- und Steuerungstechnik der Maschinen integriert und benötigt keine zusätzliche Infrastruktur vor Ort. Dadurch eignet es sich insbesondere für kurzfristige Einsätze in gefährlichen oder schwer zugänglichen Arbeitsbereichen. Typische Anwendungsfelder von Cat Command reichen vom Rückbau über den Einsatz in Bergwerken bis hin zu Katastrophengebieten.
Technische Integration und Absicherung
Die Steuerung über Cat Command basiert auf der vollständigen Integration in die elektronischen und hydraulischen Systeme des Baggers. Eingaben an der Konsole werden per Funksignal in Echtzeit an die Maschine übermittelt. So lassen sich sämtliche Funktionen präzise ausführen – ohne Verzögerung und mit identischem Ansprechverhalten wie aus der Kabine.
Zur Risikominimierung war der Cat 395 mit dem von Hagedorn entwickelten Ventilsystem Oilfix ausgestattet. Dieses unterbricht im Schadensfall sofort den Hydraulikölkreislauf und verhindert so ein unkontrolliertes Austreten von Öl. Damit wurde neben der Arbeitssicherheit auch der Umweltschutz berücksichtigt.
Zusätzliche Unterstützung: Kameras und Drohnen
Die Steuerung aus 200 Metern Entfernung stellte eine besondere Herausforderung dar: Der Maschinist musste die exakte Position des Werkzeugs kennen, ohne in der Kabine zu sitzen. Dazu wurden GoPro-Kameras am Baggerarm angebracht, deren Bilder über DJI-Module in Echtzeit auf Monitore übertragen wurden.
Ergänzend kam eine Drohne vom Typ DJI Air3s zum Einsatz. Diese bot sowohl Übersichtsbilder über eine Weitwinkelkamera als auch Detailaufnahmen per Teleobjektiv. Dank ihres stabilen Flugverhaltens und einer Akkulaufzeit von 40 Minuten konnte sie den gesamten Einsatz begleiten.
Maschinist und Drohnenpilot befanden sich auf einer 35 Meter hohen Arbeitsbühne, um bestmögliche Sicht zu haben. Die Drohne wurde in diesem Fall nicht – wie sonst üblich – zur Erfassung von Kubatur- oder Fortschrittsdaten eingesetzt, sondern diente der unmittelbaren visuellen Unterstützung beim Rückbau.
Engmaschiges Monitoring per Echtzeit-Laser
Parallel erfolgte ein engmaschiges Monitoring: Ein Echtzeit-Laser- und Radarsystem überwachte Bewegungen des Bauwerks, die Ergebnisse wurden per Funk in die Arbeitsbühne übertragen. „Bei jedem weiteren Arbeitsschritt an den Stützen und Streben kreiste die Frage darum, hat sich das Gebäude bewegt oder nicht. Die Lage verändert sich beim Abbruch permanent und darauf muss sich der Maschinist einstellen“, so Hofmann. Auch akustische Signale wurden als Indikator herangezogen. So ließ sich der Bagger im Bedarfsfall rechtzeitig zurückziehen.
Cat Command: Schulung und Erprobung
Die kurzfristige Bereitstellung der Fernsteuerung erfolgte durch die Zeppelin Niederlassung Hamm. Noch vor der Installation am Cat 395 wurden Baugruppen in der Werkstatt vorbereitet, sodass die Montage auf der Baustelle beschleunigt erfolgen konnte. Bereits am Montag nach dem Auftrag war das System einsatzbereit.
Parallel reisten drei Hagedorn Maschinisten in die Niederlande, um Cat Command an einem Cat 323 zu erproben. „Bereits nach 30 Minuten hat man ein Gefühl dafür und weiß, wie man damit sicher umgehen muss. Allerdings ist es schon was anderes, wenn man selbst in der Kabine sitzt und die Bewegung sowie Reaktion des Baggers direkt spürt“, lautete ihr Fazit.
Die Eingaben per Fernsteuerung seien jedoch genauso reaktionsschnell wie in der Kabine. Schwieriger sei lediglich die Umstellung von der 2D-Darstellung auf die räumliche 3D-Perspektive – eine Anforderung, die Erfahrung und räumliches Denkvermögen erfordere.
Bedeutung für zukünftige Einsatzszenarien
Mit dem erfolgreichen Einsatz in Hamburg hat die Hagedorn Gruppe wertvolle Erfahrungen für künftige Projekte gesammelt. „Die Transferleistung gelingt nicht jedem Maschinisten auf Anhieb – hier kommt es auf räumliches Denkvermögen und Erfahrung an, was eigentlich bei jeder Fernsteuerung nötig ist. Dafür lässt sich damit das Risiko für Arbeiten, die in einem Gefahrenbereich erfolgen, massiv reduzieren“, erläutert Hofmann.
Die Technologie Cat Command eröffnet Perspektiven über den klassischen Gebäuderückbau hinaus. Denkbar sind Anwendungen in Katastrophengebieten, etwa nach Überschwemmungen oder Erdrutschen, wenn Brücken oder einsturzgefährdete Gebäude beseitigt werden müssen. „Der Einsatz in Hamburg zeigt, wie unser Team unvorhergesehene Herausforderungen mit technischer Innovationskraft und sicherem Krisenmanagement bewältigt. Das entwickelte Konzept hat sich nicht nur bewährt, sondern dient künftig als erprobte Lösung für vergleichbare Extremsituationen im Rückbau“, resümiert Hofmann.
Rückbau als Basis für Energiewendeprojekte
Der vollständige Rückbau des Kraftwerks Moorburg ist Voraussetzung für die Nachnutzung der Fläche. Die Hamburger Energiewerke und Luxcara planen dort den Hamburg Green Hydrogen Hub. Noch 2025 soll mit dem Bau einer 100-Megawatt-Elektrolyseanlage begonnen werden. Damit trägt das Projekt zur Transformation der Energieversorgung bei und markiert den Übergang von fossilen Großkraftwerken zu einer nachhaltigen Infrastruktur.
Mit dem Ersteinsatz von Cat Command im massiven Gebäuderückbau hat die Hagedorn Unternehmensgruppe einen technologischen Meilenstein gesetzt. Das Verfahren kombinierte höchste Sicherheitsanforderungen, präzise Steuerungstechnik und umfassendes Monitoring. Die Erfahrungen aus Moorburg zeigen, dass Fernsteuerungssysteme künftig einen festen Platz im Werkzeugkasten des Rückbaus einnehmen werden – nicht nur bei planmäßigen Arbeiten, sondern auch im Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen.