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Zugpferd JCB 4190 mit Fassi F135 und ZWAR-Tandemanänger mit der für unterschiedliche Einsätze benötigten Zusatzausrüstung

JCB 4190 Fastrac im Einsatz mit Fassi F135 Ladekran

Gespickt mit technischen Raffinessen deckt das jüngst in Dienst gestellte Einsatzfahrzeug des kommunalen Wasserversorgers auf der Insel Rügen eine Vielzahl möglicher Einsatzszenarien ab. In bewundernswerter Zusammenarbeit trugen hier unterschiedlichste Akteure zur Entstehung eines einzigartigen Fahrzeugs bei

Die Abstützweite des 135er liegt in dieser Ausführung bei beachtlichen 6,62 Metern

Wenn beim Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (ZWAR) ein Brunnen ausfällt, dann ist vor allem im Sommer, wenn zahllose Menschen auf Rügen, Ummanz oder Hiddensee ihren Urlaub verbringen und der Wasserverbrauch auf den Inseln Spitzenwerte erreicht, schnelles Handeln angesagt. Deshalb hat der ZWAR jüngst ein recht ungewöhnliches Fahrzeug in Dienst gestellt, das bei den in solchen Fällen anstehenden Maßnahmen zum Einsatz kommen soll: einen JCB 4190 Fastrac mit Fassi F135 Ladekran – eine Kombination, die auf den ersten Blick ebenso einzigartig wie außergewöhnlich erscheint. Okay, ein Ladekran, das leuchtet noch ein, wird beim Handling irgendwelcher Aggregate oder Leitungen sicher wertvolle Dienste leisten. Doch der 4190 ist schließlich zunächst einmal ein Traktor eines zudem überaus stattlichen Formats. Ein solches Fahrzeug würde man im Einsatzbestand landwirtschaftlicher Großbetriebe vermuten. Was aber fängt ein für die Wasserversorgung zuständiges kommunales Unternehmen mit einem solchen Fahrzeug an?

Im Dienste der Wasserversorgung

Sylvio Dietzsch assistiert beim Ablassen der 200 Kilogramm schweren Betriebspumpe in den 40 Meter tiefen Brunnen

Licht ins Dunkel bringen kann da Mathias Maschke, Teamleiter Wasser beim ZWAR: „Die Brunnen des Zweckverbands“, erklärt er, „sind in den meisten Fällen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu finden. Um da mit einem Kran und der für viele Fälle unverzichtbaren, in einem Anhänger verstauten Spezialausrüstung hin zu kommen, ist es für uns, wenn schlechtes Wetter herrscht, selbstverständlich keine Alternative, einfach mehrere Tage zu warten, bis es wieder schön ist und die Böden möglicherweise weniger durchweicht sind. An dieser Stelle hat sich gezeigt, dass wir mit dem Lkw, den wir zuvor für diesen Zweck im Einsatz hatten, nicht gut aufgestellt waren.“ Der JCB hingegen, führt er aus, verfüge als Traktor über eine absolut souveräne Geländegängigkeit, sei andererseits aber eben nicht auf die übliche, sehr geringe Geschwindigkeit von 40 Kilometern in der Stunde beschränkt. Die mit Hilfe des 141 Kilowatt/ 192 PS starken 6,6-Liter-Diesels des 4190 mögliche Höchstgeschwindigkeit von 65 Kilometern in der Stunde sei da schon eine ganz andere Hausnummer. „Immerhin sind wir im Einzugsbereich unseres Zweckverbands für 130 Brunnen zuständig, die wir im Zweifelsfall schnell erreichen müssen.“ 

Der F135 beweist seinen unschätzbaren Wert

Dank V20-Kranwinde kann die Wilo-Betriebspumpe auf die nötige Tiefe von 19 Metern gebracht werden

Abgesehen vom Einsatz in akuten Notlagen wird das ungewöhnliche Gespann beim ZWAR natürlich auch für routinemäßige Inspektionen und in festen Abständen vorgeschriebene Brunnenregenerierungen herangezogen. So wie heute. Für Jens Stach, den Fahrer des 4190, und seinen Kollegen Sylvio Dietzsch sieht der Dienstplan an diesem Donnerstagmorgen nämlich genau dies vor: Bei einer Brunnenanlage in der Wasserfassung Bergen steht der Einbau einer neuen, leistungsstärkeren und energieeffizienteren Betriebspumpe an. Nötig geworden ist der Einbau durch eine im Vorfeld erfolgte Optimierung der elektrischen Ansteuerung des Brunnens. 

Mit der in einem Tandemanhänger verstauten Ausrüstung am Haken haben sich die beiden in aller Frühe auf den Weg gemacht, um in der auf einem Feld gelegenen Brunnenanlage in Sichtweite der Stadt Bergen das mannshohe, rund 200 Kilogramm schwere neue Aggregat einzusetzen. Nach und nach lassen die Kollegen die Pumpe an den Steigeleitungen herunter. Hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn der Durchmesser des Brunnens beträgt nur 400 Millimeter. Erst 19 Meter unterhalb des Bodenniveaus hat das an einer Edelstahl-Steigeleitung hängend montierte Aggregat seine vorgeschriebene Endtiefe erreicht. 

Die tiefe Lage mancher Einrichtungen des ZWAR diktierte insofern auch die Ausrüstung des neuen Dienstfahrzeugs mit der Fassi-V20-Winde. „Man glaubt es kaum, doch unser tiefster Brunnen liegt fast 80 Meter tief unter der Erde. Mit einem Ladekran an sich“, stellt Stach klar, „kommst du da nicht weit.“ 

Während Jens Stach das Aggregat langsam absenkt, kontrolliert Tino Kleindienst den ordnungsgemäßen Zustand der Pumpe

Doch auch sonst sei man mit dem 4190 für viele Situationen gerüstet. So hätten er oder seine Kollegen zum Beispiel längst nicht immer die Wahl, das Fahrzeug in einer für den Einsatz idealen Position zu parken. Auf vielen Brunnenanlagen gehe es derart beengt zu, dass der Kran trotz überschaubarer Lasten am Haken im Grenzbereich operieren müsste. „Hier hilft uns die Abstützweite des 135ers von 6,62 Metern ungemein.“ Damit liege man auch bei bisweilen nötigen Arbeiten zur Seite hin immer im grünen Bereich. Ein Fahrzeug also, dass in vielerlei Hinsicht als einzigartig gelten kann.

Langwierige Vorgeschichte

Dass eine solche Kombi überhaupt auf die Beine gestellt werden konnte, dafür bedurfte es neben umfangreicher Vorarbeit denn auch einigen guten Willens seitens aller Beteiligten. Nötig war auch einige Überzeugungsarbeit, um die JCB-Zentrale in Rocester/Staffordshire, dazu zu bewegen, der Firma Fassi und dem mit der Installation des Krans betrauten Fahrzeugbauer Lyma die für die nötigen Berechnungen erforderlichen, detaillierten Pläne des 4190 zur Verfügung zu stellen. 

Das Kranfundament des F135 mit zahnstangenbetriebenem 420-Grad-Schwenkwerk

Doch selbst mit diesen unverzichtbaren Informationen ausgestattet, hatte der durch zahlreiche Umbauten und Spezialanfertigungen im Lkw-Bereich längst europaweit bekannte Fahrzeugbauer mit der Montage des F135 auf den 4190 eine harte Nuss zu knacken. Schließlich musste ein Weg gefunden werden, die für den leistungsfähigen Ladekran erforderliche Hydraulikversorgung zu gewährleisten. Möglich wurde das durch eine Pumpe, die über ein eigenes Umkehrgetriebe an der Zapfwelle des Traktors andockt.

Selbst Kranhersteller Fassi konnte für die Ausstattung dieses Fahrzeugs nicht einfach ein Standard-Modell aus dem Regal ziehen. Aufgrund der erhöhten Anforderungen des ZWAR an die Haltbarkeit, unterzog Kranhersteller Fassi alle Stahlkomponenten einer sorgfältigen Zinkgrundierung. Auch die Bestückung des Ladekrans, der die offizielle Bezeichnung „F135 A.2.23 e-dynamic“ trägt, mit einer leistungsstarken V20-Winde gehörte zum Forderungskatalog des Zweckverbands. Für das präzise Manövrieren in den engen Brunnen unverzichtbar war außerdem die Möglichkeit, sämtliche Kranfunktionen sowie die Abstützungen per Funk über eine RCS-Scanreco-Fernsteuerung zu dirigieren. Last but not least erforderte die Montage des 135er auf einem Traktor auch die Umrüstung der Elektronik von der im Lkw-Bereich üblichen 24-Volt-Bordspannung auf die hier standardmäßigen 12 Volt. 

Einzigartige Lösung

Eine dritte Abstützung gewährleistet zusammen mit einem vorn angebrachten Kontergewicht über 360 Grad hundert Prozent Standsicherheit

Nötigen all die realisierten Modifikationen im Detail bereits gehörigen Respekt ab, schlägt doch eine Lösung, wie auch der Einsatz an diesem Morgen zu Tage fördert, dem Fass den Boden aus: Um bei den vorgesehenen Arbeiten nicht über die Kabine und den Motorvorbau hinweg arbeiten zu müssen, hat Stach das Fahrzeug gemäß dem Einsatzkonzept zum Tausch der Pumpe mit der Rückseite zum Brunnen hin aufgestellt. So steht ihm die maximale Reichweite des F135 von 10,35 Metern zur Verfügung. Dieselbe Position empfehle sich im Übrigen, so Stach, auch bei Einsätzen, bei denen es darauf ankommt, die am Hubarm verfügbare Hubkapazität von fast drei Tonnen weitestgehend auszunutzen. Allerdings verlangt diese Aufstellung zwingend nach einer dritten Abstützung, die Fahrzeugbauer Lyma so weit wie irgend möglich hinter der höhenverstellbaren Anhängerzugvorrichtung positionierte. 

Dennoch kaum mehr als einen Meter vom Kranfunda­ment des seinerseits bereits sehr weit hinten am Heck montierten Fassi-Krans entfernt, zeigte sich die Fassi-eigene FSC-Abstützüberwachung hier allerdings unerbittlich: Das System verlangte nach einem Kontergewicht im Frontbereich des Fahrzeugs. Unter Berücksichtigung der zulässigen Achslasten dimensioniert, ist das Gewicht nunmehr standardmäßig an der vorn am Fahrzeug angebrachten Kommunalplatte montiert und gewährleistet 360-Grad-Standsicherheit. 

Vielseitige Aufstellung

Im Bedarfsfall lässt es sich allerdings durchaus auch schnell abnehmen. Dies ermöglicht es, an der Kommu­na­lplatte im Winter etwa auch ein Schneeräumschild oder in anderen Situationen einen Kehrvorsatz anzubauen und macht den 4190 beim ZWAR zu einem wahren Allrounder.

Auch der F135 ist nicht ausschließlich auf das Abseilen von Spezial-Aggregaten der Wasserversorgung in tiefe Brunnen festgelegt. Von Fassi mit einem fünften und sechsten Steuerkreis ausgestattet, kann er auch mit dem vom ZWAR zugleich angeschafften Zweischalengreifer samt Drehservo zum Einsatz kommen. Auch an anderer Stelle hat der Zweckverband für alle Eventualitäten vorgebaut: Im Grunde nahezu ausschließlich für Arbeiten in hochsensiblen, für die Wasserversorgung herangezogenen Arealen gedacht, kam für Fahrzeug- und Kranhydraulik nur der Betrieb mit biologisch abbaubaren Hydrauliköl des Typs X-Biolife in Frage. So verlieren mögliche Hydraulik-Leckagen ihren Schrecken.

Bereit für die nächsten Jahre

Stach und sein Kollege Dietzsch haben die neue Pumpe an diesem letzten Donnerstag vor der neuerlichen Verschärfung der Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen übrigens erfolgreich eingebaut. So kann der ZWAR dem Betrieb dieses Brunnens für die nächste Zeit entspannt entgegensehen. Welche Bedeutung dem getauschten Aggregat zukommt, veranschaulichen bereits seine wichtigsten Leistungsdaten. Es ist in der Lage, bis zu 60 Kubikmeter Wasser pro Stunde zu fördern. Der Tausch ging in Rekordzeit vonstatten. Am frühen Nachmittag waren die beiden auf der Insel bereits zum nächsten Einsatz unterwegs.

Nach dem Einbau der Pumpe nahe Bergen sind die Kollegen des Zweckverbands am Mittag bereits mit einer neuen Aufgabe beschäftigt